Die "goldenen zwanziger Jahre"
Die Jahre von 1924 – 1929 gelten den Deutschen als „goldene Zwanziger“. In diesen Jahren wurde hauptsächlich als produktive Erwerbslosenfürsorge eine Reihe von größeren, bedeutungsvollen Projekten in Radevormwald und Umgebung ausgeführt.
In diesen Jahren wurde hauptsächlich als produktive Erwerbslosenfürsorge eine Reihe von größeren, bedeutungsvollen Projekten in Radevormwald und Umgebung ausgeführt. Im Ülfetal unterhalb der „Obersten Mühle“ entstand die größte Freiluftschwimmanstalt des Bergischen Landes, das „Ülfebad“. Am Eingang des Stadtwaldes „Kollenberg“ wurde eine schöne Waldparkanlage geschaffen, ein viel besuchter Erholungsort für die heimische Bevölkerung.
Das schon lange schwebende Projekt, eine Durchgangsverkehrsstraße durch das Ülfetal und weiter an der Wupper entlang bis Beyenburg zu schaffen, um eine bessere Verbindung mit dem Wupperbezirk und besonders mit den Wupperstädten Elberfeld und Barmen herzustellen, ist nach Überwindung großer Schwierigkeiten in Angriff genommen und teilweise bis Dahlhausen in jenen Jahren fertiggestellt worden. Um von der Stadt aus eine direkte Verbindung mit dieser um die Stadt herumführende Verkehrsstraße zu bekommen, wurde die Mühlenstraße ausgebaut.
Durch den Ausbau des Weges Eich - Borbeck - Hinüber wurden weiter einem Teil der Ortschaften des Landbezirkes längst ersehnte Wegeverhältnisse gegeben.
1924 Reinigung des Wasserleitungsnetzes und Errichtung einer Entsäuerungsanlage
Schon längere Zeit ergaben sich bei der Wasserversorgung Schwierigkeiten, da die Wasserleitungen durch die im Wasser enthaltene aggressive Kohlensäure sehr verkrusteten. Die Gas- und Wasserwerks-Kommission hatte sich in verschiedenen Sitzungen mit der Beseitigung dieses Übels befasst. So wurde dann am 4. Juni 1924 beschlossen, nach dem Gutachten des Professors Dr. Tillmanns in Frankfurt a. Main eine Entsäuerungsanlage im Pumpwerk Stoote einzubauen.
Die Marmorrieselung ist erstmalig 1908 in Frankfurt a. Main, des weiteren in Marktheidenfeld, Eisfeld (Thüringen) und in Haspe (Westfalen) angewendet worden und hatte sich inzwischen bestens bewährt.
Bevor man jedoch mit dem Bau der Entsäuerungsanlage beginnen konnte, war es unbedingt notwendig, das gesamte Rohrnetz, in dem sich im Laufe der Jahre eine dicke Rostkruste gebildet hatte, so dass teilweise die Rohre fast vollständig verstopft waren, einer gründlichen Reinigung zu unterziehen.
Mit diesen Arbeiten wurde die Firma Hannoversche Eisengießerei und Maschinenfabrik in Hannover beauftragt. Der Kostenaufwand belief sich auf 13.721 RM. Das Verfahren sah vor, dass die zu reinigenden Rohrstrecken abgesperrt und ein Reinigungskasten mit Turbine eingesetzt wurde. Die durch den Wasserdruck angetriebene Turbine wurde durch das Rohr gepresst, wodurch die Leitung förmlich ausgebohrt und von Rostansätzen befreit wurde.
Die Arbeiten zum Bau der Entsäuerungsanlage wurden an die Firma Klein, Schanzlin & Becker in Frankenthal (Pfalz) vergeben. Durch die Errichtung der Entsäuerungsanlage musste das Transformatorenhaus vergrößert werden. Diese Arbeiten wurden von der hiesigen Firma G. Lange & Co. ausgeführt. Die gesamte Anlage kostete seinerzeit 35.248 RM.
Am 6. Oktober 1926 wurde die bisherige, nicht mehr funktionierende Wasserstandsanzeige des Wasserturmes durch eine neue automatische Anlage von der Firma Telefon GmbH, Bauabteilung Elberfeld, ersetzt und eine neue Doppelleitung aus „Bronzedraht“ bis zum Pumpwerk Stoote für 3.600 RM neu verlegt.
Entwicklung | 1924 | 1925 | 1926 | 1927 |
verkauftes Wasser in cbm | 119.737 | 120.697 | 136.893 | 165.598 |
Stromverbrauch in kWh | 95.487 | 106.952 | 132.117 | 187.840 |
Der erhöhte Stromverbrauch in den Jahren 1926 und 1927 wurde durch den Betrieb der Entsäuerungsanlage verursacht, da das Wasser zusätzlich durch die neue Anlage gepumpt werden musste. Die Einwohnerzahl erhöhte sich im vorgenannten Zeitraum um 484 Personen auf insgesamt 11.907 Personen. Am 1.1.1925 betrug der Wasserpreis 35 Pfg. je cbm und wurde auf Grund der guten Ertragslage ab 1.1.1926 auf 30 Pfg. herabgesetzt.
Staffelung des Wasserpreises
In der Stadtverordnetenversammlung am 7.12.1927 trägt der Vorsitzende vor, dass Anträge von Großabnehmern, insbesondere der Reichsbahn, auf Staffelung des Wasserpreises eingegangen sind.
Mit Rücksicht auf die Reichsbahn, welche monatlich 1.500 cbm Wasser verbrauchte und damit gedroht hatte, ihre eigene Brunnenanlage wieder in Betrieb zu nehmen, beschließt die Versammlung folgende Preisstaffelung:
- bis 100 cbm 30 Pfg.
- 101 - 300 cbm 28 Pfg.
- 301 - 500 cbm 26 Pfg.
- 501 - 1.000 cbm 24 Pfg.
- 1.001 - 2.000 cbm 22 Pfg.
- über 2.000 cbm 20 Pfg.
Die Wasserpreise in den Nachbarstädten waren wie folgt:
- Lüdenscheid 25 Pfg.
- Lennep 30 Pfg.
- Hückeswagen 30 Pfg.
- Ronsdorf 30 Pfg.
- Gevelsberg 20 Pfg.
- Lüttringhausen 34 Pfg.
- Wermelskirchen 40 Pfg.
Ende 1927 waren bei den städt. Gas- und Wasserwerken als städt. Arbeiter beschäftigt:
- Petschek, Stefan, Marke bei Hückeswagen
- Kind, Otto, Önkfeld
- Konze, Richard, Hermannshagen
- Schiewe, Eduard, Durchsholz, Gemeinde Lennep
- Johnen, Mathias, Hohenfuhrstraße
- Schriefer, Kuno, Önkfeld
Die Entlohnung erfolgte nach dem Tarifvertrag des Arbeitgeberverbandes Rhein.-Westf. Gemeinden e.V., Dortmund, und zwar alle nach Gruppe I.
In 1927 wurde das Rechnungswesen des Städt. Gas- und Wasserwerkes von der Kameralistik auf die doppelte kaufmännische Buchführung umgestellt.
Ein Blick in die Eröffnungsbilanz des Wasserwerkes zum 01. April 1927 gibt Auskunft über das seinerzeitige Wasserleitungsnetz:
- 5.013 m Rohrleitung DN 150 mm
- 250 m Rohrleitung DN 125 mm
- 2.019 m Rohrleitung DN 100 mm
- 12.680 m Rohrleitung DN 80 mm
- ferner 569 Hausanschlüsse mit 610 eingebauten Wassermessern
Die Summe der Eröffnungsbilanz betrug 221.233 RM, Eigenkapital 116.233 RM (Eigenkapitalquote 52,5%). Das Wasserwerk war zu diesem Zeitpunkt schuldenfrei.
Durch die stetige Verlängerung des Wasserleitungsnetzes im Gemeindegebiet, vor allen Dingen durch die bemerkenswerte Erhöhung der Einwohnerzahlen (von 1925 bis 1928 um 19% auf 13.626 Einwohner) stieg der jährliche Wasserverbrauch von 1924 bis 1928 von rd. 120.000 cbm auf 181.000 cbm an, eine Steigerung von über 50 %.
Der tägliche Wasserverbrauch belief sich 1928 auf ca. 500 cbm, so dass der in 1899 gebaute Wasserturm mit seiner Speicherkapazität von 125 cbm nur eine Verbrauchsmenge für sechs Stunden fasste. Die Wasserförderungspumpen in Stoote waren jetzt täglich 18-20 Stunden in Betrieb. Durch den erhöhten Wasserbedarf wurde der Wasserspiegel im Brunnen ständig abgesenkt. Es wurde befürchtet, dass der Wasserstand bei längerer Trockenheit unter die Saughöhe der Pumpen fällt, eine Wasserförderung dann nicht mehr möglich ist.
Um den Wasserdruck im Leitungsnetz zu erhöhen, schlug die Gas- und Wasserwerks-Kommission vom 30.9.1929 vor, einen höheren Wasserturm mit einem Fassungsvermögen von 600 cbm zu bauen, der auch gleichzeitig als Aussichtsturm benutzt werden kann. Dieser Vorschlag fand in der Stadtverordneten-Versammlung auf Grund des hohen Herstellungsaufwandes keine Mehrheit, obwohl bereits 1926 eine Rücklage für einen neuen Turm über 15.500 Mark gebildet worden war.
1930 Wasserbassin in Herbeck
In der Stadtverordneten-Versammlung am 13. Mai 1930 stellt der Beigeordnete, Dezernent Dornseif, fest, dass die anfangs nur für den Stadtbezirk gedachte Wasserversorgungsanlage infolge der Ausdehnung des Leitungsnetzes auf weitere Stadtgebiete und bis zu den Wupperortschaften, den Anforderungen, welche besonders im Sommer entstehen, nicht mehr gewachsen ist.
„Der Brand des Wohnhauses Fax in der Altelandstraße hat erneut den Beweis erbracht“, so der Dezernent, „dass es in diesem Teil der Stadt nicht möglich ist, der Leitung genügend Löschwasser zu entnehmen, um dem Feuer erfolgreich zu Leibe gehen zu können. Inzwischen ist aber auch die Frage der ausreichenden Wasserversorgung in den übrigen Teilen der Gemeinde, vor allem im engeren Stadtgebiet, in ein akutes Stadium getreten“.
Auf Vorschlag des Beigeordneten beschließt die Stadtverordneten-Versammlung die Verlegung einer neuen Hauptversorgungsleitung DN 250 mm vom Wasserturm in Rädereichen bis zur Bredderstraße in der Innenstadt, ferner zur Entlastung des Innenstadtnetzes den Bau eines neuen Wassererdbehälters in der Ortschaft Herbeck.
Der neue Wassererdbehälter in Herbeck mit einem Fassungsvermögen von 200 cbm konnte bereits am 4. Jan. 1931 in Betrieb genommen werden. Nach der Auftragsvergabe der 2.080 m langen Hauptleitung am 25. Juli 1931 an die Fa. Kirsch in Essen konnten die Arbeiten noch im November 1931 zum Abschluss gebracht werden.